Schatzkiste
Das Leben steckt voller Erinnerungen. Viele davon sind verbunden mit besonderen Gegenständen. Sie begleiten uns manchmal ein Leben lang, sind eine hervorragende Stütze beim Erinnern und daher viel zu wertvoll, um vergessen zu werden!
Ihr wahrer Wert misst sich vor allem an ihrer Fähigkeit, Vergangenes zum Leben zu erwecken. Durch die Erinnerung blühen sie zu wahren Schätzen auf und haben sich darum einen festen Platz in der Schatzkiste des Lebens verdient.
Sicher haben auch Sie eine solche Schatzkiste an Gegenständen. Deren Wert kennen nur Sie allein? Wenn Sie ihre Geschichte erzählen, können andere Menschen daran teilhaben und den einzigartigen Wert dieser Dinge zu schätzen wissen.
Welche Schätze haben Sie im Laufe des Lebens gesammelt und welche Erinnerungen verbinden Sie damit?

Der kleine und der große Waldi waren meine ersten richtigen Kuscheltiere. Geschenkt bekommen habe ich sie zu meinem ersten Geburtstag. Seitdem hatten die Waldis einen festen Platz neben meinem Kopfkissen. Wenn meine Mutter abends an meinem Bett saß, um mir gute Nacht zu sagen, hat sie mit den Waldis geschimpft. Sie fand es frech, dass sie immer ihre Zungen rausstreckten.
Einmal haben wir meine Oma besucht, da habe ich den kleinen Waldi beinahe verloren. Ich saß schon im Auto, hatte den großen Waldi im Arm, doch von dem kleinen fehlte jede Spur. Ich war verzweifelt. Sollte ich den kleinen Waldi etwa nie wiedersehen?Da klopfte es an die Scheibe. Ich kurbelte das Fenster herunter.
„Der will zu dir!“, sagte meine Schwester und hielt mir den kleinen Waldi grinsend vor die Nase. Zum Glück, sie hatte ihn gefunden! Am Straßenrand lag er und hat wie immer seine Zunge rausgestreckt.
Jessica, 45 Jahre

Diesen Hühnergott habe ich am Strand gefunden. An dem Tag war es sehr stürmisch, sicher Windstärke 10 oder noch mehr. Ich war mit meiner Freundin im Urlaub, unser erster Urlaub zu zweit. Nun feiern wir bald schon Goldene Hochzeit.
Hans, 81 Jahre

Das ist meine alte Schulbibel. Die habe ich mal meinem Religionslehrer an den Kopf geworfen. Wirklich wahr!
Oliver, 49 Jahre

Irgendwann in den 1980er-Jahren habe ich mit meinem Sohn eine Bastelgruppe besucht. Da war Frederik drei oder vier Jahre alt. Er sollte eine Schnecke aus Gips formen und ich sollte ihm dabei helfen. Als wir endlich fertig waren, hatte Frederik keine Lust mehr zum Anmalen. Und ich auch nicht. Die Gruppenleiterin meinte, wir wären wohl ziemlich faul und die Schnecke würde nur angemalt richtig gut aussehen.
Wieder zuhause waren Frederik und ich uns einig: Da gehen wir nicht mehr hin. Lieber gehen wir ein Eis essen, die Enten füttern oder einfach nur spazieren.Und die Schnecke? Die hat überlebt. Sie hat einen festen Platz am Fenster und macht sich dort richtig gut, wie ich finde.
Gertrud, 66 Jahre

Vor ein paar Jahren habe ich mal mit meiner kleinen Enkeltochter Plätzchen gebacken. Wir haben es mal ganz anders gemacht und zum Ausstechen nicht diese typischen Förmchen benutzt.
Doch dieses Exemplar wollten wir auf gar keinen Fall aufessen. Es ist nämlich eine Flamme, die immer noch brennt, wie man deutlich erkennen kann.
Bernie, 58 Jahre

Ich habe nur wenige Erinnerungen an Opa Bojan. Wenn wir ihn im Heim besuchten, sah er mich an, als ob wir Freunde wären, die gleich Kirschen im Nachbargarten klauen gehen wollen.
Von dem, was er brummelte, verstand ich nicht viel. „In seinem Kopf klemmen die Schubladen für die Worte“, sagten meine Eltern. Ich war mir nicht sicher, ob er mir unheimlich war oder ob er mir leid tat, deswegen kicherte ich oft. Meine Mutter kniff mir in den Arm, wenn sie es bemerkte.
Einmal mussten meine Eltern mit der Direktorin sprechen und Opa Bojan und ich warteten auf der Terrasse. Es war ein heißer Tag, die Alten saßen wie Dörrobst unter der Markise und über dem Goldfischteich sirrten die Libellen. Mein Kleid klebte mir am Rücken, Opa Bojan wackelte mit den Augenbrauen und ich dachte an das Eis, das mein Vater mir versprochen hatte. Da zitterte plötzlich die fleckige Hand in meine Richtung und landete den Bügelperlen-Stern auf meinem Oberschenkel. Über beide Ohren strahlte Opa Bojan, die Sonne schien ihm aus den Augen.
Es war das letzte Mal, dass ich sie offen sah. Am Abend platzte ein Gefäß in seinem Kopf und die wenigen verbleibenden Wochen seines Lebens besuchten wir einen reglosen Körper, den der Geist längst verlassen hatte.
Der Stern liegt in meiner Küchenfensterbank. Meine Töchter bitten mich manchmal, seine Geschichte zu erzählen, dann kichern sie und ich kichere mit.
Deniza, 33 Jahre

Das ist ein Feenschuh von einer echten Fee. Ich habe ihn auf dem Weg zur Schule gefunden. Er lag in einer Pfütze und leuchtete durch die Feenstaubreste, die noch daran klebten. Manchmal baden die Feen in Pfützen, das wissen die meisten Leute nicht, sie denken, Feen seien immer sauber und glitzernd. Aber sie nehmen auch gerne mal ein Schlammbad.
Ist mir egal, dass die anderen Kinder nicht mehr an Feen glauben, die können einfach nicht so gut beobachten wie ich. Ich bin sehr gut im Beobachten, weil ich ganz still sein kann. Ich kann so still sein wie ein Stein.Juri, 7 Jahre